Prof. Dr. Schiereck – Finanzbildung: Geld macht glücklich!

10.05.22

Zum Start der Prof. Corner - Reihe spricht Michael Reeg mit Prof. Dr. Dirk Schiereck, Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt. Einer seiner Herzensthemen ist die finanzielle Bildung, denn: "Unser Wohlstand bestimmt mit, wie wohl wir uns im Alter fühlen".


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„Ich bin fast 18 und hab’ keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen.“ Dieser Tweet einer 17-Jährigen ist ziemlich typisch: Laut einer Untersuchung der Deutschen Börse sagen nur 50 Prozent der Befragten, dass sie jemals Finanzbildung erfahren haben.

Die Wissenslücke, wenn es um Vermögensbildung, Versicherungen sowie Geldanlage in Aktien und Fonds geht, löst Ängste aus. Viele fürchten sich vor vermeintlich riskanten Investitionen und stecken ihr Sauerverdientes daher in „sicheres“ Tagesgeld oder Kontensparpläne und lassen so zu, dass niedrige Zinsen und Inflation ihr Kapital mindern, anstatt es zu mehren.

Das Thema finanzielle Bildung ist daher ein Herzensthema für Professor Dr. Dirk Schiereck, Finanzwissenschaftler an der Technischen Universität Darmstadt. Seit Jahren beobachtet er die Börsengänge deutscher Unternehmen und sieht, dass 90% der so platzierten Aktien an ausländische institutionelle Investoren gehen. Zudem tun sich „deutsche Unternehmen schwer damit, daheim Kapital aufzunehmen und gehen ins Ausland“. BioNtech ist dafür ein gutes Beispiel, wie er sagt. Der Impfstoffexperte aus Mainz ist an der New Yorker Börse notiert. Das sei typisch und führe dazu, dass „der Wohlstand, der mit deutscher Technologie geschaffen wird, nicht den deutschen Anlegern zufließt“.

Stattessen sitzen die mit ihren Kontensparmodellen auf Wertverlusten, wenn man die Inflation mit einrechnet. Vor diesem Hintergrund entstand Schierecks Vorlesung „Household Finance“ an der TU Darmstadt, die bei den Studierenden sehr gut ankommt. Dort beschäftigt sich Schiereck nämlich vor allem mit der Frage, was junge Menschen brauchen, bevor sie in den Beruf einsteigen – also mit dem Dreiklang aus Vorsorge, Versicherung, Vermögen.

„Man braucht ein privates Vermögen, wenn man im Alter angenehm leben will“, sagt Schiereck. „Da müssen die Menschen auch selber vorsorgen.“ Ein wesentliches Thema ist dabei aus seiner Sicht der Kapitalmarkt. „Es gilt, den Vermögensaufbau an Sachwerten zu orientieren und da sind Aktien ein wichtiges Instrument, besonders auch in passiven Formaten wie breit gestreuten Indexfonds oder ETFs, die die Risiken von Einzelaktien vermeiden.“

In diesem Kontext hoffe Schiereck, dass das Thema Altersvorsorge bei der bevorstehenden Bundestagswahl zum entscheidenden Thema wird. Insbesondere wünscht er sich den Umstieg zu einer kapitalgedeckten Altersvorsorge. Der Professor glaubt, dass eine solche die Nachfrage am Aktienmarkt nachhaltig verändern könnte. „Wenn die Leute sehen, dass ein Teil ihrer Rente am Kapitalmarkt angelegt ist, wird auch das Interesse an dem Thema wachsen, das Angebot an guten Finanzprodukten wird zunehmen und nicht zuletzt werden die Vermögen schneller wachsen als in der Vergangenheit mit den Kontensparmodellen. Das könnte einen Paradigmenwechsel im Denkverhalten der Bevölkerung bringen.“

Ein weiteres Thema, das Schiereck beschäftigt, sind Versicherungen. Sagen doch Studenten auf die Frage, welche Police sie unbedingt haben wollen: Eine Handyversicherung! Dabei ist diese Versicherung überflüssig, denn der Verlust eines Handys kann kein ganzes Leben über den Haufen werfen. Ein schwerer Unfall aber schon. „Krankenkasse, Haftplicht, Berufsunfähigkeit – das sind Policen, die man wirklich haben muss“, sagt der Professor. Finanzbildung bedeutet aus seiner Sicht nämlich auch, entscheiden zu lernen, „welche Risiken kann ich selber tragen, welche muss ich versichern“.

Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung beständig. Wer mit 65 in Rente geht und bis ins 95. Jahr lebt, muss für 30 Jahre vorsorgen! „Es ist zwar nie zu spät, mit der Vorsorge zu beginnen, aber grundsätzlich gilt: Früh anzufangen lohnt sich, um von Zinseszinseffekten zu profitieren. Dabei gilt es, auf renditestarke Positionen zu setzen, also auf Aktien.“

Auch den Immobilienkauf hält Schiereck für eine gute Idee, besonders für Menschen, die nicht diszipliniert mit ihrem Geld umgehen. Eine Hypothek muss monatlich bedient werden. „Bei anderen Formen des Sparens kommen oft die Wünsche nach einem neuen Auto oder einer Reise in die Quere und dann wird das Geld ausgegeben. Immobilienkredite jedoch müssen bezahlt werden und dienen so dem Vermögensaufbau.“

Vor allem aber geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen, sagt Schiereck. Private oder gesetzliche Krankenkasse? Brauch ich einen Bausparvertrag? Da helfen Gespräche mit guten Beratern. Es gebe die Vergleichsportale im Internet, sagt der Professor, doch „die sind oft nicht so unabhängig, wie sie aussehen und liefern nur Standardantworten. Wer maßgeschneiderte Lösungen will, muss kompetente Berater zuziehen“.

Im Übrigen sei Beratung „kein Einmal-Event“ im Leben, sondern müsse bei großen Veränderungen im beruflichen oder privaten Umfeld wiederholt werden, also „bei wichtigen Karriereschritten und bei der Familienbildung“. Die Qualität des Beraters sei in diesem „komplexen Umfeld“ extrem wichtig, glaubt Schiereck, denn das „Wohlbefinden im Alter hängt davon ab“, die richtigen Instrumente zur Vermögensbildung und Absicherung zu finden.

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