Kryptowährungen als mögliche Alternative zu Gold - Dr. Philipp Sandner im Gespräch mit Michael Reeg

15.06.23 | PROF. Corner

Kryptowährungen: Eine mögliche Alternative zu Gold

Seine Knappheit wird langfristig den Wert des Bitcoins stabilisieren und seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel stärken. Eine Beimischung von vier bis sechs Prozent am Gesamtportfolio eine rationale Form der Geldanlage, sagt Prof Philipp Sandner, Gründer des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management.


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Kryptowährungen lösen bei vielen eine Mischung aus Faszination und Angst aus – Faszination, weil einige mit Bitcoin und Co. schnell sehr reich geworden sind. Und Angst, weil immer wieder von Plattform-Plünderungen die Rede ist. Auch die Berichte von verlorenen Schlüsseln und Investoren, die nicht mehr an ihr Geld kommen, schüchtern viele Menschen ein. Zudem ist der Kryptomarkt extrem volatil, die Bewertungen von Bitcoin oder Etherum gehen rauf und runter wie ein Jahrmarktskarussell. Prof Philipp Sandner, Gründer des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management, rät dazu, die Emotionen beiseite zu lassen und das Thema nüchtern zu betrachten.

Technisch gesehen basieren die Kryptowährungen auf der sogenannten Blockchain. Das ist nichts weiter eine Registertechnologie und das bedeutet: Alles, was in einem Register abgelegt werden kann, kann auch in der Blockchain gespeichert werden. Bekannt geworden ist sie, weil sich in der Blockchain zum Beispiel der Bitcoin darstellen lässt, die größte und wichtigste virtuelle Währung. „Die Technologie ist noch ganz jung und es ist schwierig, ihre Folgen korrekt einzuschätzen – übrigens nicht nur für individuelle Anleger, sondern auch für den Staat und seine Regulierungsbehörden“, sagt Prof. Sandner.

Letztlich wird jedoch jedes Land Stellung beziehen müssen zu den Kryptowährungen, prognostiziert Prof. Sandner. So hat sich die Europäische Kommission darauf geeinigt, das Thema neutral zu betrachten und an der Regulierung zu arbeiten. Sehr wohl gibt es aber auch einige Länder, die noch unentschieden sind. Darunter beispielsweise die USA; derzeit sehe es so aus, als würden die USA eher eine skeptische Haltung einnehmen, so Sandner. Deutschland hingegen habe bereits gute Regulierungsauflagen vorgelegt, mit der die Kryptoszene sicher arbeiten kann, findet Sandner: „Wer hier Klarheit schafft, hat möglicherweise die Chance auf einen Wettbewerbsvorteil, beispielsweise gegenüber den USA“.

Die Vorstellung jedoch, dass die Blockchain und Kryptowährungen bald das traditionelle Finanzsystem aushebeln werden, hält Sandner für überzogen. Letztlich gebe es mit der Blockchain eben nun eine neue Technologie, die helfe, den Dollar, den Euro oder andere Währungen abzubilden, auch in Form von Digitalwährungen. Das hat gewaltige Vorteile, wie Sandner am Beispiel erläutert: Wenn man beispielsweise 500 Millionen Dollar in Gold von A nach B transportieren wolle, brauche man dafür ungeheure Sicherungsmaßnahmen, Transportmittel und Personal. Das erfordere lange Planung und könne lange dauern, je nach Distanz. „Bei Bitcoin ist das alles in 15 Minuten erledigt und die Transaktionskosten sind auch überschaubar.“ Der Bitcoin erlaube schnelle Transfers von Werten weltweit, ein Vorteil, den andere Währungen so nicht anzubieten hätten: „Das ist einmalig, es gibt sonst keine vergleichbare Technologie, die das erlaubt.“

Allerdings müsse man das Thema Wertaufbewahrung – die Funktion von Gold – und das Thema Zahlungsverkehr auseinanderhalten. Als Zahlungsmittel sieht Sandner Bitcoin und Co nicht als Alternative zu Euro, Dollar oder Yen, als Wertaufbewahrungsmittel, könnte der Bitcoin aber sehr wohl eine Rolle spielen. Insbesondere in Zeiten von hoher Inflation. „In Argentinien zum Beispiel, wo die Inflation um die 100 Prozent liegt, ist der Wunsch natürlich groß, das Geld in Dollar oder Euro anzulegen, mit einer deutlich geringeren Geldentwertung. Dieses Prinzip gilt – trotz aller Volatilität – auch für den Bitcoin.“
Bei allen Markschwankungen erscheine der nämlich noch stabiler, als eine Währung mit 100 Prozent Inflation. „Wie Kryptowährungen ticken, kann man gut verstehen lernen, wenn man sie mal durch die Augen der Menschen betrachtet, die in Schwellenländern leben und mit den dort so häufigen Währungsproblemen kämpfen“, erklärt Sandner.

In diesem Kontext könnte sich der „Bitcoin als eine Alternative zum Gold etablieren, sozusagen als virtuelles Edelmetall.“ Die Anzahl der Bitcoins ist nämlich beschränkt auf 21 Millionen Tokens, ähnlich wie Gold, dessen Menge durch die Vorräte auf der Erde begrenzt sind. Im Moment gibt es rund 19,3 Millionen Bitcoins, folglich bleiben für die kommenden Jahre nur noch rund 1,7 Millionen zu erzeugende Bitcoins. Diese Knappheit werde langfristig den Wert des Bitcoins stabilisieren, meint Sandner und so seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel stärken.

Der von Kritikern so häufig zitierte hohe Stromverbrauch des sogenannten Krypto-Minings hält Sandner für einen Nebenkriegsschauplatz. Tatsächlich stammen beim Bitcoin beispielsweise rund 50 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen, der Rest aus fossilen Quellen. „Aber wenn wir ehrlich sind, gilt das auch für die großen Datenzentren in Deutschland oder für die Produktion des Stroms, der die Elektroautos antreibt“, sagt der Professor. „E-Mobility klingt so toll, aber oft steht dahinter ein Energie-Fußabdruck, der eher ungünstig ist.“

Was bedeutet die neue Technologie nun für den individuellen Anleger? Es gibt inzwischen über 20.000 verschiedene Kryptowährungen, von denen „viele sicherlich keine Daseinsberechtigung haben“, beschreibt Prof. Sandner. Bitcoin und Etherum bewegen sich am Markt zudem auch oft nahezu parallel. Bei der Geldanlage sei daher die Diversifikation in verschiedene dieser vielen Kryptowährungen nicht sinnvoll, erläutert Sandner, „weil man dadurch oft Anteile an wackeligen Assets erwirbt, deren Wertentwicklung zudem sowieso mit der des Bitcoins oder Etherum korreliert.“ Wenn man sich dem Thema nähere, sei es sinnvoll, „sich vor allem mit Bitcoin und Etherum zu beschäftigen“.

Die Inflation in der Euro-Zone liegt derzeit bei sieben Prozent, wer also Spargroschen hat, muss zusehen, wie diese weniger werden. Sich mit Geldanlage zu beschäftigen, sei daher empfehlenswert, findet Prof. Sandner und verweist neben Indexfonds (ETFs), Immobilien, Gold auch auf Bitcoin oder Etherum. Jedoch gelte: „Kryptowährungen sind nur als Beimischung für ein Gesamtportfolio geeignet, aber in Summe gibt es gute Gründe, die beispielsweise den Bitcoin im Wert steigen lassen werden, vor allem auch in Relation zur Wertentwicklung anderer Assets.“

Empfehlungen seien immer schwierig, aber einen Anteil an Bitcoin oder Etherum im Gesamtportfolio von vier bis sechs Prozent, erscheint Prof. Sandner sinnvoll. „So nimmt man den Aufschwung des Bitcoins mit, aber bei nur vier Prozent schlagen die Crashsituationen der Kryptowährungen nicht so dramatisch aufs Gesamtportfolio durch.“

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