16.12.22 Betriebliche Altersvorsorge - Angst ist ein schlechter Ratgeber
Derzeit hagelt es schlechte Nachrichten. Die Medien sind voller Berichte über Inflation, Lieferengpässe, Krieg und eine bevorstehende Rezession – und der eigene Briefkasten voller Rechnungen, die nur eine Tendenz kennen: nach oben. Das löst bei vielen Bürgern Ängste aus.
Leider führen diese Sorgen und die daraus resultierende Suche nach Einsparmöglichkeiten derzeit dazu, dass viele Versicherte die Einzahlungen in ihre betriebliche Altersvorsorge (bAV) stoppen oder den Vertrag gänzlich kündigen. Daten der DCS Deutsche Clearing-Stelle GmbH zeigen, dass sich die Zahl der Anträge auf Beitragsfreistellung oder vorzeitige Auflösung 2022 im Vorjahresvergleich verdoppelt hat.
Ausgerechnet bei der betrieblichen Altersvorsorge zu sparen, ist jedoch eine ganz schlechte Idee. Die bAV auf Eis zu legen, führt nämlich keineswegs dazu, dass sich das tatsächlich verfügbare Nettoeinkommen deutlich erhöht. Denn wer den Vertrag stoppt oder auflöst, verzichtet auf die Zuschüsse des Arbeitgebers, die Vorteile bei der Besteuerung und in der Sozialversicherung. Und – last but not least – darf nicht vergessen werden, dass sich so ein Stopp auch auf die Höhe der Auszahlungen in der Rentenphase auswirkt.
Konkret sieht die Rechnung so aus: Laut DCS-Statistik liegt die Einzahlung in eine bAV bei rund 115 Euro im Monat, der Arbeitgeberzuschuss von 15 Prozent mit eingerechnet. Wer seinen Vertrag nun beitragsfrei stellt, erhält jedoch nur 55 Euro monatlich mehr von seinem Lohn oder Gehalt ausbezahlt. Lohnt es sich, dafür die komfortable Versorgung im Alter zu riskieren?
Wer einen begehrlichen Blick auf den im Vertrag angegebenen Rückkaufswert wirft und eine Kündigung ins Auge fasst, sollte zudem nicht vergessen, dass die Abfindung aus einem bAV-Vertrag noch Steuern und Sozialabgaben unterliegt. Die tatsächlich ausbezahlte Summe ist am Ende also oft deutlich weniger verlockend als gedacht und nicht zu vergessen ist: der Arbeitgeber muss einer solchen Kündigung zustimmen – und viele zieren sich da, im besten Interesse ihrer Belegschaft.
Auch hier ist die Rechnung des DCS ein Augenöffner: Ein 30jähriger Arbeitnehmer, der 32.400 Euro im Jahr verdient und eine bAV im Wert von 15.000 Euro auflöst, erhält nach Steuern nur 11.148 Euro – und das ist noch vor den möglicherweise fälligen Sozialabgaben auf diesen Betrag. Hätte der Beschäftigte seinen Vertrag jedoch unverändert fortgeführt, wäre ein Kapital von mindestens 63.000 Euro entstanden.
Wer also ernsthaft über Sinn und Unsinn seiner betrieblichen Altersvorsorge nachdenkt, sollte erstens mit spitzem Stift rechnen, ob sich ein Stopp der Einzahlungen oder eine Kündigung wirklich lohnt. Zweitens gilt es, den Kontoauszug auf andere, bessere Einsparmöglichkeiten zu durchforsten. Braucht es zum Fernsehschauen wirklich gleichzeitig Abonnements mit Netflix, Disney und Sky? Ist die Reisegepäck- oder Handyversicherung wirklich nötig? In jedem Fall empfiehlt sich beim Thema Sparen und Altersvorsorge das Gespräch mit einem guten Berater, ehe vorschnelle Entscheidungen mehr Schaden anrichten als spürbare Entlastung auf dem Konto zu schaffen.
Ihr Hans von Maltzahn
Helmut Merling in der „WirtschaftsWoche“ zur Rürup-Rente