Ruhestandsplanung als persönliches Projektmanagement – Teil 4

09.09.20

Ich freue mich, dass Sie weiterhin das Projekt „Ruhestandsplanung“ planen und gemeinsam mit mir Ihr persönliches Ziel verfolgen.

Wie bereits im letzten Beitrag avisiert, möchte ich heute den Schwerpunkt auf den Begriff „Langlebigkeit“ setzen. Sie haben dieses Wort in den letzten Jahren bestimmt schon einmal gelesen und ich verspreche Ihnen, dass Sie dieses Wort auch künftig weiter begleiten wird.

Warum ist das so?

Hier hilft ein kurzer persönlicher Rückblick auf die letzten 3 Jahrzehnte meiner Beratertätigkeit.:
Von 1980 bis zur Jahrtausendwende lagen die Kapitalmarktzinsen deutlich über 5 %. Man konnte daher ohne größere Risiken eine Verzinsung aus seiner Kapitalanlage erzielen.  In diesen Jahren haben speziell Mandanten mit großen Kapitalanlagevermögen keine großen Überlegungen angestellt, dass im Alter der Liquiditätszufluss verebben könnte. Grund dafür war folgende Berechnung: Kapitalvermögen x Kapitalmarktzins / 12 ergibt die monatlich verfügbare Liquidität –und das natürlich lebenslang. Der konservative Kapitalinhaber hat vielleicht keine 5 % Verzinsung als Basis angenommen, sondern nur 3 %. Niemand konnte oder wollte sich vorstellen, dass die Verzinsung unter diese Marke fallen würde. Heute wissen wir, dass dies durchaus Realität werden kann und immer noch ist. So wie heute viele Anleger die Hoffnung auf eine gute Verzinsung verloren haben, so war damals die Meinung, dass 3 % immer zu erzielen sind.

Definition „Langlebigkeit“

Schaut man in den Duden wird Langlebigkeit wie folgt beschrieben: „eine lange Lebenszeit besitzend, lange Zeit lebend“. Diese Definition gibt sehr deutlich wieder, welche Schwierigkeiten im Rahmen der Finanzplanung mit diesem Begriff verbunden sind, denn welche Laufzeit hat der Begriff „lang“? In der Finanzplanung braucht es ein Beginn- und ein Enddatum, um eine präzise Berechnung durchführen zu können. Da aber „lang“ keine konkrete Zeitdefinition ist, kommen hier Berechnungen mit Kapitalanlagen an die Validierungsgrenzen.

Die Lösung: Anlegerkollektiv

Aufgrund dieser Erkenntnisse stellt sich die Frage, wie nun diese Langlebigkeitsfrage in einer zukunftssicheren Ruhestandsplanung zu beantworten ist. Die Antwort lautet: Es ist nur über ein Anlegerkollektiv zu lösen das heißt im Klartext über einen Versicherer. Nur die vertraglichen Grundlagen einer Vereinbarung mit einem solchen Institut dokumentiert einen festgarantierten monatlichen Liquiditätszufluss. Diese können sowohl private Versicherungsunternehmen (im Rahmen der privaten oder betrieblichen Altersversorgung) sein, sowie die Deutsche Rentenversicherung oder berufsständische Versorgungswerke. All diese Institutionen zahlen ratierliche Renten aus und das bis zum Tod der versicherten Person – egal ob diese bereits mit 67 Jahren von ihrem Recht des Ablebens Gebrauch macht, oder ob jemand auf den Spuren von Johannes Heesters ist und weit über 100 Jahre alt wird.

Langlebigkeit im Projekt „Ruhestandsplanung“

Welche Überlegungen sind aufgrund dieser Erkenntnisse nun für das Projekt „Ruhestandsplanung“ abzuleiten? Es ist wichtig festzustellen, welche monatliche Liquidität in jedem individuellen Fall benötigt wird. Dies sind Zahlungen wie Krankenversicherung, Nebenkosten für die eigene oder gemietete Immobilie Essen und Trinken, KFZ-Kosten – – hier spielen natürlich die persönlichen Gewohnheiten eine sehr wichtige Rolle. In dieser Rubrik sollten alle regelmäßigen Zahlungen aufgeführt werden, auf die auch im Alter nicht verzichtet werden kann oder auf die man nicht verzichten will. Und denken wir noch einen Schritt weiter, dann kommen ggf. Kosten der Pflege hinzu, die ebenfalls bis zum Lebensende anfallen werden. Den zwingend notwendigen monatlichen Liquiditätsbedarf bezeichnen wir im weiteren Verlauf als „finanzielles Grundrauschen“. Aus meiner Sicht muss diese Versorgungsanforderung zwingend mit Rentenbausteinen erfüllt werden, damit eine lebenslange Zahlung sichergestellt ist.

Deckung der Versorgungsanforderungen im Ruhestand

Natürlich gibt es Argumente, dass man mit Kapitalanlagen auch aktuell noch 3 % und mehr Rendite erzielen kann. Diese Aussage bestätige ich sogar, gebe aber zu bedenken, dass diese Zielrenditen nicht ohne Kapitalmarktrisiken und den damit verbundenen Schwankungen zu erhalten sind.
In der Ansparphase kann jeder Sparer Kursschwankungen (Volatilitäten) sehr gut verkraften, da es um die Ansammlung von Vermögen geht. Zeitweise Kursschwankungen sind dann noch keine Verluste, da die Anlage bestehen bleiben kann. Erst wenn man Investments in fallenden Kursen veräußert, entsteht der tatsächliche Verlust. In der Auszahlungsphase dagegen bedeuten solche Schwankungen, dass die Entnahmen nicht valide kalkuliert werden können. Für die Versorgungsanforderung wird jedoch eine monatlich fixe Summe benötigt. Herrscht in dieser Phase gerade eine sehr volatile Kapitalmarktsituation, müssen beispielsweise deutlich mehr Fondsanteile in fallenden Kursen veräußert werden, um die benötigte Auszahlung zu erhalten. Da die künftigen Kapitalmarktentwicklungen in einer zukunftsbetrachtenden Ruhestandsplanung nicht valide definiert werden können, besteht hier das Risiko, dass am Ende des vorhandenen Vermögens noch zu viel Leben übrig ist. Gerade in einem dann bereits fortgeschrittenen Alter das Schlimmste, was passieren könnte.

Also doch alternativ investieren?

Ist es dann vielleicht doch die bessere Lösung in Immobilien zu investieren? Positiv ist, dass Sie regelmäßig Mieten erhalten, die im Regelfall auch monatlich zufließen. Das stimmt – Was passiert aber bei temporären Leerständen? Und wie gehen Sie mit wiederkehrenden Kosten um? Immobilien müssen regelmäßig instandgesetzt werden, damit der Wert erhalten bleibt. Außerdem können Mietpreise von neuen Einflussfaktoren tangiert und dadurch ggf.  verändert werden.

Eine weitere Alternative: Sie könnten in ein Aktiendepot investieren, dass ausschließlich mit dividendenstarken Titeln ausgestattet ist. In einem solchen Depot sind die Kursschwankungen egal, da man nicht plant diese Titel zu verkaufen. Ziel ist es, durch die regelmäßigen Dividenden die monatlich benötigte Mindestliquidität zu erhalten. Das kann durchaus funktionieren, aber Dividenden sind nicht garantiert. Unternehmen, die Jahrzehntelang hohe Dividenden gezahlt haben, können das evtl. plötzlich nicht mehr (Bsp. Banken oder Automobilbranche). Ein weiterer Nachteil ist, dass die Dividenden nicht monatlich ausgeschüttet werden. Daher wäre es wichtig, zum Rentenbeginn eine „Jahresrente“ an Liquidität in cash vorzuhalten. Die Dividenden füllen diesen Cash-Speicher – hoffentlich wie geplant – für das Folgejahr.

All diese Ausführungen stellen keine KO-Kriterien in der Ruhestandsplanung dar, sollten aber bei der Planung bedacht sein. Vor allem wenn Sie auf diese Zuflüsse im Alter in exakt dieser Höhe angewiesen sind.

Viele Informationen – aber was bedeutet das nun?

Ich fasse zusammen:

1. Es braucht eine gesicherte Liquidität die lebenslang gezahlt wird und somit als Grundlage für die Planung die notwendige Sicherheit gibt.

2. Es kommt auf einen guten Asset-Mix, über diese Grundabsicherung hinaus, an. Viele Anlageoptionen können gut und richtig sein -wichtig ist, die richtige individuelle Mischung für Sie zu finden.

3. In der Ruhestandsplanungsphase rückt die Entscheidungskomponente „Rendite“ mindestens auf Platz 2 der Wichtigkeitsskala. Die Kalkulationssicherheit übernimmt in diesem Fall die maßgebliche Entscheidungsposition.

Das Ziel rückt näher – bleiben Sie dran!

Ich hoffe, ich konnte Ihnen den Begriff der Langlebigkeit und die Auswirkungen auf die Ruhestandsplanung näherbringen. Dieser Aspekt ist immer mit vielen individuellen Ein- und Ansichten verbunden. Lassen Sie uns gerne drüber sprechen, wenn Sie bereits jetzt Fragen haben. Wichtig ist: Je früher Sie über diese Themen nachdenken, umso früher können Sie wichtige Erkenntnisse erlangen & bei der Planung berücksichtigen. Im nächsten Teil meines Blogs werden wir uns anschauen, welche Rolle das Thema Erben und Schenken in der Ruhestandsplanung einnimmt. Wann sollte man darüber nachdenken und welche Konsequenzen hat es, wenn ich mich nicht mit diesen Fragen beschäftigen möchte?

Bis bald!

Ihr Rainer Weber


Über den Autor Rainer Weber

Rainer Weber ist mit über 20 Dienstjahren Inventar bei Hoesch & Partner. Der Spezialist für Ruhestandsplanung ist Director Account Management für 50+ Kunden und hat als CFP (Certified Financial Planner) die ganzheitliche Finanzplanung seiner Clienten im Blick. Rainer ist Autor diverser Fachartikel und Dozent an der EBS Finanzakademie in Oestrich-Winkel. Für ihn steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht dessen Finanzen. Als aktiver Christ denkt er daher auch sehr gerne über den Finanzdienstleistungs-Tellerrand hinaus und bezieht Entwicklungen in unserer Gesellschaft gerne in sein Tagesgeschäft ein.

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