Feminancial Independence - Frauen leben länger, aber wovon?

07.06.21

Elisa Burg im Interview mit Barbara Bierach

Frauen arbeiten weniger als Chefs, dafür öfter in Teilzeit. Sie verdienen weniger als Männer, leben aber länger und haben im Alter oft zu wenig Geld zur Verfügung. Altersarmut in Deutschland ist weiblich. Woran liegt das, Frau Burg?

Wie Sie schon richtig gesagt haben, gibt es da eine Ungleichheit, die damit zusammenhängt, dass Frauen im Durschnitt weniger verdienen und zumindest phasenweise fast immer in Teilzeit arbeiten. Gleichzeit leben sie länger als Männer – und wer länger lebt, braucht länger Geld. Dazu kommt, dass sie oft bei Gehaltsverhandlungen zu wenig fordernd auftreten.

Genau da möchte ich gerne kurz einhaken: Liegt es nicht vielleicht auch zu einem gewissen Teil an den Frauen selbst? Daran, wie sie mit Geld umgehen?

Durchaus liegt es auch an jeder Selbst – weil das Thema „Finanzen“ für viele Frauen einfach noch zu negativ behaftet ist. Aber wir müssen es positiv sehen: ich DARF das Ganze selbst in die Hand nehmen und mich mit meinen eigenen Finanzen auseinandersetzen und muss mich nicht darauf verlassen, dass jemand anderes es schon gut mit mir meinen wird. Ich DARF mir die Frage stellen, wie ich mein Geld handhaben und wie ich es verwenden will. Und dazu will ich alle Frauen einladen – sich diese Fragen aktiv zu stellen und die Möglichkeit zu nutzen, die sie dadurch bekommen. Es ist insgesamt ein sehr großes Thema; es ist aber wichtig, anzufangen und keine Hemmungen zu haben.

Und den richtigen Leuten die richtigen Fragen zu stellen.

Genau.

Welche Fragen stellt man denn? So habe ich gelesen, dass man als Frau rund 400.000 Euro auf der hohen Kante haben sollte, damit sie im Alter keine Einschnitte hat – aber wie komme ich denn zu meinen 400.000 Euro und wo fange ich an?

Also 400.000 Euro sind schon sehr viel, 100.000 Euro wären schon gut. Aber auch dieses Geld muss erst einmal verdient werden – und dafür muss man sich auf jeden Fall den Faktor Zeit ins Boot holen, der bei der Finanzplanung eine entscheidende Rolle spielt. Dann gibt es verschiedene Lösungsmodelle, auf die wir zurückgreifen können. Vorrangig kommt man aber am Thema ETF und Aktienmarkt nicht vorbei. Wichtig hier: Die Hemmungen zu verlieren und von Anfang an – quasi ab dem Moment des Berufsstarts – eine entsprechende Summe in die eigene Zukunft zu investieren. Ich sage bewusst nicht „sparen“, weil das Wort oft mit Verzicht in Verbindung gebracht wird. Es ist in dem Fall aber kein Verzicht, sondern eben genau das Gegenteil: Eine Investition, von der ich im Alter deutlich mehr habe als jetzt.

Dafür reicht es am Anfang schon, kleine Summen zu investieren, die monatlich nicht wehtun – 50 Euro sind da bereits ein guter Einstieg. Steigt das Gehalt mit zunehmender Karrierestufe lohnt es sich zu überlegen, die monatliche Investition zu erhöhen.

Viele haben ja ein wenig Bedenken, wenn es um das Thema „Aktien“ geht – was durch den Wirecard-Skandal nicht gerade verbessert wurde. Was sagen Sie denn zum Thema Einzelaktien? Eher Ja oder eher Nein? Oder sollte ich mein Geld lieber breiter streuen?

Letzteres ist genau die Idee, die an Unis gelehrt wird: Ich sollte meine Investition breit streuen. Denn wenn ich nur auf eine Einzel-Aktie setze, habe ich ein sehr hohes Risiko, mein Geld zu verlieren; wofür Wirecard ja das Parade-Beispiel ist.
Da können wir uns auch etwas von den Eichhörnchen abschauen – die vergraben ihre Nüsse auch an mehreren Stellen, falls eine mal geplündert wird. Ein ähnliches Prinzip steht hinter ETFs, womit sie die deutlich sichere Variante der Geldanlage darstellen. Für eine Anlage in ETFs muss man sich auch nicht allzu sehr mit dem Aktienmarkt auskennen, um mit den Investitionen anzufangen. Mit der Zeit arbeitet man sich dann quasi von alleine in die Thematik ein.

Also nicht alle Eier in einen Korb legen.

Genau.

Was halten Sie denn vom Thema Lebensversicherung? Da haben wir ja nun alle gelesen, dass die Garantiezinsen sinken oder ganz wegfallen und für viele Frauen hört sich das jetzt so an, als würden sie für ihr Geld nun gar nichts mehr bekommen; das Gegenteil ist der Fall – oder wie würden Sie das einschätzen?

Wichtig ist hier erst einmal zu prüfen, was das Ziel von einer Lebensversicherung ist.
Grundsätzlich ist der Gedanke, mit einer Lebensversicherung meine Langlebigkeit abzusichern und eine lebenslange Rente ausgezahlt zu bekommen. Frauen, die heute zwischen 20 und 30 Jahren alt sind, haben mitunter eine Lebenserwartung von bis zu 100 Jahren – dafür braucht Frau entsprechend Geld. Die Rentenversicherung zahlt dieses Geld monatlich aus; das hat im ersten Schritt wenig mit Zinsen zu tun und ist per se super.

Erst im nächsten Schritt sehen wir uns an, wie das mit den Zinsen zusammenhängt. Die niedrigen Zinsen hießen an der Stelle, sich von dem Gedanken, das Geld verzinslich beim Versicherer anzulegen, zu lösen– das rechnet sich heute eher weniger. Das Geld muss stattdessen in den Kapitalmarkt, in Aktien – und da kann ich dann mit verschiedensten Möglichkeiten partizipieren.
An sich ist eine Lebensversicherung also nichts Schlechtes; sie ist einer von mehreren Bausteinen. Und in diesem Sinne lohnt es sich auch, sich noch einmal mit einer Rentenversicherung zu beschäftigen. Hier gibt es z. B. auch die Möglichkeit der betrieblichen Altersvorsorge, mit der man das Thema Investition auch steuerspartechnisch noch einmal attraktiver machen kann.

Interessant! Wenn ich Sie noch einmal zusammenfassen darf, würden Sie also sagen: Frühzeitig anfangen und das ruhig mit kleinen Beträgen am Anfang, die man später dann auch aufstocken kann. Geldanlage in Fondsparplänen oder ETFs und bitte nicht alle Eier in einen Korb legen, also die Finger von Einzelaktien lassen. Ist das so Ihre Botschaft?

Ja, dem kann ich auf jeden Fall zustimmen. Wichtig ist noch einmal zu erwähnen, dass Frau sich dem Thema Finanzplanung unvoreingenommen öffnen und keine Hemmungen haben sollte, die ersten Schritte zu machen. Wir sind hier noch in einem Wandel – Frauen beschäftigen sich rein historisch gesehen einfach noch nicht so lange mit ihren eigenen Finanzen. Deswegen gilt es hier, sich die ersten Schritte zu trauen, anzufangen und Frau lernt dann Schritt für Schritt dazu.
Auf den Ehemann, den Papa oder die Brüder sollte Frau sich einfach nicht mehr verlassen, wenn es um die Finanzplanung geht.

Selbst ist die Frau!
Ihre Elisa Burg


Über den Autor Elisa Burg

Elisa lernte Versicherung von der Pike auf und schloss 2015 ihre Ausbildung zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzen mit Leidenschaft und Bestnote ab. Wenn sie im anschließenden Studium ( Bachelor of Science, Goethe Universität Frankfurt ) nicht gerade Versicherungsthemen aus theoretischer Perspektive beleuchtete, sammelte sie bei Hoesch & Partner Erfahrung in der Kundenbetreuung. Elisa unterstützt Ihre Kunden dabei, die Schlüsselaspekte von Versicherungen zu verstehen. Die Lösungsfinderin hat sich das Thema Rentenplanung – insbesondere aus der Perspektive von Frauen – auf die Agenda geschrieben. Um fit zu bleiben düst sie morgens bei fast jedem Wetter mit dem Rennrad am schönen Main entlang zum Büro.

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